Dienstag, 24. Januar 2012

Brandheißes Interview mit Mrs.Pepstein!

Unser erstes Zusammentreffen war blutig: der Backstagebereich (= Küche) des Berliner Clubs, in dem Christiane Rösinger ihren 50. Geburtstag feierte, war rappelvoll. Eine Frau rief, „Hilfe, ich blute! Hat jemand ein Pflaster?“ Sektbedustelt wie ich war, konnte ich leider nicht helfen, freute mich aber wie Bolle, als Christiane uns einander vorstellte: die blutende Frau war niemand Geringeres als Katja Röckel alias Mrs. Pepstein, die kurz vorher noch die Geburtstagsmeute zum Tanzen gebracht hatte. Mrs. Pepstein legt aber nicht nur auf Geburtstagsparties Platten auf, sondern ist vor allem seit stolzen dreizehn Jahren Gastgeberin der Radiosendung „Mrs. Pepsteins Welt“ beim freien Leipziger Sender Radio Blau. Namenspatin für Mrs. Pepstein, die im echten Leben Katja Röckel heißt, ist Schlagerikone Katja Ebstein: in Katjas ehemaliger WG lief seinerzeit sehr häufig eine Cassette von Katja Ebstein, so dass die Frage nach einem Künstlerinnennamen rasch geklärt war. Ebstein war übrigens noch nicht in Mrs. Pepsteins Welt zu Gast, doch dazu später. In ihrer Sendung stellt ja Mrs. Pepstein die Fragen, aber zum 13. Geburtstag und dem offiziellen Beginn ihrer Teenie-Zeit werden die Rollen mal getauscht: Frau Mohr fragt und Mrs. Pepstein antwortet... ganz ohne Blut!

CM: Was war eigentlich damals bei Christiane passiert – woran hast du dich geschnitten?
Mrs. Pepstein: Ganz schnöde an einem Brotmesser...

CM: Erinnerst du dich an deine allererste Sendung als Mrs. Pepstein? Was war der erste Song, den du gespielt hast?
MP: Die erste Sendung, an die ich mich bewusst erinnere, war eine sogenannte Vorproduktion: ich hatte Francoise Cactus von Stereo Total zu einigen Titeln der damals neu erschienenen Platte „Monokini“ sprechen lassen. Es war aber kein klassisches Interview.

CM: „Konntest“ du überhaupt Radio oder bist du ganz DiY-mäßig ins Business eingestiegen?
MP: Ja, total learning-by-doing. Alles selbst erarbeitet. Natürlich gab es Leute, die mir das eine oder andere gezeigt haben, so ganz alleine geht das nicht, aber ich war schon als Kind begeisterte Radiohörerin und es war immer mein Traum, später im Radio zu arbeiten und deshalb hatte ich schon eine bestimmte Vorstellung, wie das so funktioniert. Allerdings musste ich dann auch schnell lernen, dass Radio ein sehr intensives „Hobby“ ist, das mehr Zeit in Anspruch nimmt, als man zunächst denkt. Übrigens: als ich anfing Radio zu machen, gab es noch keine digitale Schnittsoftware in unserem Radio und ich habe noch ganz oldschool analog mit Tonbandschnitt angefangen!

CM: Du sagst, dass du die Feminismus-Fahne nicht ständig hochhältst, sie aber immer in der Tasche hast - musst du sie oft herausholen?

MP: Müssen ja, wollen nicht immer. Wenn man eine feministische Grundhaltung hat, sollte man auch dazu stehen. Im Alltag spreche ich schon Dinge an, die mich stören oder die ich aus feministischer Sicht problematisch finde - auch öffentlich. In der Radiosendung ist es ein bisschen anders. Da versuche ich das subtiler unterzubekommen, zum Beispiel, indem ich fast ausschließlich Frauen feature, ohne das extra zu kommentiere. Ich würde aber einem Interviewgast nicht anfangen, theoretisch zu argumentieren oder so.

CM: Wie sind deine Erfahrungen als Radiomoderatorin - fühlst du dich als "Exotin" oder sind inzwischen mehr Frauen am Start/an den Mikrofonen?

MP: Es gibt - glaube ich - mittlerweile sehr viele Radiomoderatorinnen und es gab sie auch schon immer. Vielleicht nicht so viele, die sich explizit mit Musik beschäftigen, aber nein, als Exotin fühle ich mich nicht.

CM: Was ist das Tolle am Radiomachen?
MP: Alles!
Im Ernst: ich mag den Gedanken, dass mir andere Leute an den Lautsprechern zuhören. Du bekommst Aufmerksamkeit, weißt aber nicht von wem und wieviel. Am tollsten ist es natürlich, wenn man Feedback auf eine Sendung bekommt. Dann weiß man, dass einem wirklich jemand zuhört. Außerdem mag ich den Kontakt zu den KünstlerInnen, den man so nie bekommen würde und die Narrenfreiheit, die ich persönlich genieße: Ich darf mir Gäste, Musik und Themen selbst aussuchen. Das ist ein großer Luxus – andererseits verdiene ich ja damit kein Geld... Ich lerne auch sehr viel durchs Radiomachen: im letzten Jahr habe ich einige Interviews auf Englisch machen müssen und habe damit automatisch mein Englisch verbessert ;-)

CM: Apropos Geld: wovon lebst du eigentlich?
MP: Mit meinen Radiosendungen verdiene ich nichts. Ich habe einen Brotjob, der aber auch mit Radio zu tun hat: ich arbeite als Medienpädagogin in dem Radio, in dem ich auch Sendungen mache. Ich betreue Kinder und Jugendliche beim Radiomachen.

CM: Wer war bis jetzt dein Lieblingsgast/Lieblingsgästin bei „Mrs. Pepsteins Welt“?
MP: Puh, es gab viele tolle Begegnungen. Aber es gibt so ein paar, da stimmt
einfach die Chemie und es ist immer wieder toll, wenn man mit denen ans Mikro
kann. Das sind: Christiane Rösinger, Bernadette la Hengst, Thomas Meinecke und
Dendemann.
Ich habe aber auch schon eine Nonne interviewt, das war auch eine sehr tolle
Begegnung.
CM: Eine Nonne? Was habt ihr besprochen und weshalb war sie bei dir?
MP: Nonnen spielten in meiner Kindheit eine große Rolle: meine Mutter hat zwei Freundinnen, die Nonnen sind, und meine Erzieherin im Kindergarten war auch Nonne. Entgegen aller Klischees sind das sehr lebenslustige Frauen, die bewusst in einer Gemeinschaft mit Frauen leben. Das hat mich schon immer fasziniert, obwohl das für mich natürlich nie in Frage gekommen wäre, mich einer Institution wie der katholischen Kirche unterzuordnen... Mit Sr. Magdalena, die ich im Rahmen eines Jugendradioworkshops kennenlernte, sprach ich über ihren Alltag in der Gemeinschaft mit anderen Nonnen und auch über ihre Entscheidung so zu leben. Ihre Klarheit im Denken und im Ausdruck hat mich sehr beeindruckt.
Sehr prägend für mich war auch mein Interview mit Charlotte Roche im Jahr 2000...
CM: Wie kam das zustande und wie war das?
MP: Sie war super drauf. Ich traf sie im Rahmen eines HipHop-Festivals und habe sie einfach angequatscht, ob sie Lust und Zeit für ein Interview hätte. Wir saßen da beide in einem sehr männlich dominierten Umfeld rum und hatten dadurch natürlich sofort ein gutes Thema. Außerdem hat sie viel über ihre Mutter und ihren damaligen Freund gesprochen, den sie als einen größeren Feministen als sie selbst bezeichnet hat. Das hat mir damals sehr gut gefallen. Für mich war der Stil ihrer Moderation bei Viva 2 sehr toll: sie war so selbstbewußt und auch klug und auch einfach ein tolles Role-Model.
Nicht ganz einfach waren CocoRosie, aber das Interview ist trotzdem ganz
gut geworden.
CM: Was war da los?
MP: Ach, die waren so eine Mischung aus aufgekratzt, aufgeregt und überdreht, und es war eines meiner ersten Interviews auf Englisch und dann noch in der Volksbühne. Es war also auch für mich total aufregend und deswegen nicht ganz so einfach....

CM: Hat dir schon mal jemand abgesagt und wenn ja, warum?
MP: Ich habe vor Jahren mal ein Interview mit Katja Ebstein, die ja schließlich meine „Namenspatin“ ist, angefragt, aber da wurde nix draus. Vielleicht sollte ich das nochmal in Angriff nehmen ;)
Ansonsten gab es keine direkten Absagen an mich persönlich, sondern eher aus Gründen wie: "xy gibt keine Interviews während einer Tour“ oder so.

CM: Radiomachen und DJ-en sind für mich totale Traumjobs. Geht es dir auch (immer noch) so oder hast du manchmal Hänger und weißt nicht, was du in der nächsten Sendung bringen sollst o.ä.?
MP: Hänger, ja die gibt´s, und manchmal sage ich auch mal so im Scherz, „ich höre
jetzt auf“. Aber eigentlich will ich das gar nicht. Natürlich ist das alles mehr
als nur ein Hobby, aber ich brauche das Radiomachen als Ausdrucksmittel. Sollte es irgendwann ausgeglichene Geschlechterverhältnisse geben, die meine Radiosendung überflüssig machen, dann mache ich halt 'ne Kochshow ;-)
CM: Ich kann mir KEINEN Grund vorstellen, der deine Sendung überflüssig machen würde!
Aber sag' doch mal was zum Thema Kochshow:
MP: Ja, ich koche und vor allem backe gerne – ich habe gerne Freundinnen und Freunde und Familie um mich herum und möchte, dass die es schön (und lecker!) haben. Ich bin einfach so aufgewachsen, dass man gemeinsam Mahlzeiten einnimmt, bei meiner Oma und auch bei mir zu Hause gab es oft am Wochenende ein gutes Mittagessen und Kuchen am Nachmittag. Und irgendwie ist das für mich etwas, das ich weitergeben möchte, inklusive der Familienrezepte meiner Oma und Uroma. Außerdem kann ich beim Kochen und Backen (meistens) entspannen. Aber: es ist natürlich etwas, das ich nicht jeden Tag mache und deswegen macht es mir auch Spaß – als Hausfrau am Herd könnte ich nicht jeden Tag verbringen! Dazu gibt’s ja genügend Wichtigeres zu tun!
CM: Und das Auflegen?
MP: Auflegen: das mache ich ebenfalls nicht sooo oft, und deswegen macht es mir auch meistens Spaß. Wenn ich es öfter machen würde und vielleicht auch in Punkto Geld darauf
angewiesen wäre, wüsste ich nicht, ob es mir dann noch so viel Spaß machen würde.
CM: Wie bist du denn zum Auflegen gekommen?
MP: Als ich nach Leipzig kam, gründete ich mit Freundinnen die Propellas, eine feministisches Veranstaltungs- und DJ-Kollektiv. Nach einem DJ-Workshop am Bodensee mit Luka Skywalker war mir klar, dass ich auch selber öfter und im professionellen Clubrahmen auflegen wollte: in Leipzig waren wie überall ja fast nur Typen am DJ-Pult. Meine Propellas-Kolleginnen sind vorwiegend elektronisch oder in Sachen Drum'n'Bass unterwegs, ich lege häufig bei queerfeministischen Parties auf, aber nicht nur: ich deejaye auch auf Hochzeiten und demnächst beim 50. Geburtstag einer Bekannten – der Mutter einer meiner Radioschülerinnen, so schließt sich der Kreis :-)
Angefangen aufzulegen habe ich allerdings schon früher: mein „DJ-Debüt“ hatte ich in einem Weinberg;)
CM: Oh, Geburtstagsfeiern sind ja eine Sache für sich... hat dich die künftige 50erin gebrieft?
MP: Als Dienstleistungs-DJ verstehe ich mich natürlich nicht! Aber über ein paar Sachen haben wir schon gesprochen, sie wünscht sich z.B. Gloria Gaynor, das ist ja total okay.

CM: Du sagst, dass Christiane Rösinger/Die Lassie Singers/Britta für dein Leben und deine Entscheidung, Radio-DJ zu werden, sehr wichtig waren. Wie war das, als du Christiane in echt kennen gelernt hast?
MP: Als junge Frau hatte ich noch kein wirklich feministisches Selbstverständnis bzw. ich habe das nicht als solches postuliert: selbstbewusst und emanzipiert war ich schon immer
;-). Die Lassie Singers waren überhaupt die einzige Band damals, die in diese Richtung ging. Das erste Britta-Album hat mich erstmal gar nicht so sehr begeistert, aber als eine Freundin von mir Britta zum Release von „Kollektion Gold“ nach Leipzig eingeladen hat und ich Christiane und auch Britta Neander kennenlernte, wurde ich großer Fan. Zu Christiane besteht bis heute ein inniger Kontakt, ich habe ja auch bei ihrem 50. Geburtstag aufgelegt.
CM: Ja, das weiß ich noch – ich habe wild getanzt!

CM: Welche anderen Bands, MusikerInnen, Songs sind dir wichtig?
MP: Bernadette la Hengst, Dendemann, Björk, DJ Patex, Miss Platnum, Hildegard Knef,
Katja Ebstein, Kevin Blechdom, Planningtorock, Le Tigre, Jenny Wilson, Annie Lennox, Kate Bush, Fiva, … ich könnte endlos weitermachen...
CM: Okay, lassen wir das als „kleine Auswahl“ so stehen :-)

CM: Und fünf Alltime-Fave-Songs, bitteschön:
MP:
Push it – Salt´n Pepa
In dieser Stadt – Hildegard Knef
Rockerbraut & Mutter – La Hengst
Desilllusion – Christiane Rösinger
Hyperballad - Björk

CM: Welche Musik spielst du deinen Kindern (4 und 8) vor?
MP: Alles mögliche: Hiphop von Fiva, Dendemann, Miss Platnum, etc., manchmal
auch 80er-Jahre-stuff oder School of Zuversicht und Bernadette la Hengst. Das gefällt denen ganz gut. Unser Kinderlieder-Konsens sind die Songs aus der Sesamstrasse und vom Gripstheater!

CM: Bist du ein Nerd?
MP: Nö. Bin ich nicht, glaube ich ;-) Also : NEIN, auf keinen Fall!

CM: Was wünschst du dir selber für die nächsten dreizehn Jahre?
MP: Weiterhin spannende Gäste, zum Beispiel endlich mal Katja Ebstein! Außerdem hoffe ich, dass ich Leute mit der Sendung auch dazu inspirieren kann, sich zu engagieren bzw. zu ermutigen selbst Radio zu machen. Und ich wünsche mir auch, dass ich die Menschen, die die Sendung hören, gut unterhalten kann, denn die informativste Radiosendung bringt nichts, wenn sie langweilig ist!


Das Interview führte Christina Mohr, sie arbeitet als Kulturjournalistin für u.a. Missy Magazine, melodiva.de und culturmag.de. Wie Mrs. Pepstein hat sie auch noch einen Brotjob und steht auch auf Dampfnudeln & Disco.

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